Publikationen

Das Air-Law Team gibt regelmäßig einen kleinen Einblick in ihr gesammeltes luftrechtliches Wissen, um die Mitglieder der Luftfahrtbranche über aktuelle und relevante Themengebiete zu informieren und aufzuklären. Veröffentlichungen finden Sie in den folgenden Journalen der Fachpressen. 

Luftrecht – Fälle aus der Flugpraxis: Unnötige Eskalation

Bei der Begründung von Ordungswidrigkeitsbescheiden sind einige Behörden manchmal sehr erfindungsreich, wie der vorliegende Fall zeigt.

Ein Flug mit einem Vereins-UL im Herbst letzten Jahres endete nach einer misslungenen Landung in Porta Westfalica mit dem Bruch des Bugfahrwerks und Schaden an Propeller, Motor und Cow­ling. Bei der anlässlich des Landeunfalls erfolgten Überprüfung der Papiere stellte die Bezirksregierung Münster fest, dass gegen eine Reihe von luftrechtlichen Vorschriften verstoßen worden sei und zeigte dies dem Luftfahrt-Bundesamt (LBA) an.

Das UL wurde zu diesem Zeitpunkt mit einer vorläufigen Verkehrszulassung (WZ) betrieben, da ein neuer, bislang nicht im Kennblatt eingetragener Propeller verwendet wurde. Der originale Dreiblatt-Propeller hatte einen Mangel, und es wurde ersatzweise ein Zweiblattpropeller montiert. Hierzu wurde nach Erstellung der erforderlichen Unterlagen durch den begleitenden Prüfer über das Luftsportgerätebüro eine WZ erteilt.

Der Unglückspilot hatte bei diesem Flug sei­ne Frau mitgenommen, die Leistungsdaten des neuen Propellers notieren sollte. Hierzu wurde sie von ihrem Ehemann eingewiesen, welche Daten sie vermerken sollte. Außerdem belehrte der Pilot das Besatzungsmitglied darüber, dass sie heute keine Passagierin sei, sondern an Bord eine Aufgabe zu erfüllen hatte. Den in der WZ war ausdrücklich vermerkt „unter Ausschluss von Passagierflügen“. Nun konnte man verstehen, dass die Bezirks­regierung Münster den Umstand, dass hier eine Begleitung bei dem Flug auf dem rechten Sitz saß, durch die dafür zuständige OWi- Behörde – das LBA – überprüfen lassen wollte. Dass aber im Eifer der Überprüfung eine Reihe von möglichen Verstoßen an das LBA gemeldet wurde, die mit einem Blick in die Dokumente leicht hatten ausgeschlossen werden können, ist nicht zu verstehen. „Nach Sichtung des Bordbuches erweckt sich der Eindruck dass das Luftsportgerät ständig für Rundflüge, Passagierflüge und sogar für Auslandsflüge im Verein genutzt wird!“, so die Bezirksregierung Münster. Stimmt – allerdings mit der ursprünglichen Zulassung. Mit der WZ, die erst drei Tage zuvor erteilt wurde, wurde bis zur materialbeanspruchenden Landung nur zwei Platzflüge durch den Prüfer Klasse 5 durchgeführt. Die monierten Passagier- Rund- und Auslandsflüge wurden allesamt mit der „normalen“ endgültigen Verkehrszulassung legal durchgeführt. Der Pilot habe keine gültige Lizenz, da der letzte Flug mit Fluglehrer über zwei Jahre her sei. Woher diese Münsteraner Einschatzung stammt, ist bis heute ungeklärt.

Der Pilot habe die 90-Tage-Regel nach § 122 LuftPersV nicht eingehalten. Diese Erkenntnis war wohl dem Blick ins Bordbuch zu verdanken. Der (erforderliche) Blick ins persönliche Flugbuch des Piloten hätte ausgereicht, um dieses Missverständnis auszuräumen.

Nun wäre es ja nicht weiter schlimm, wenn die hierzu kompetente Bundesbehörde, das LBA, die ganz offensichtlich falschen Anschuldigungen zum Anlass nehmen würde, zumindest die eindeutigen Teile auszuklammern. Aber das LBA führte ein OWi-Verfahren hinsichtlich aller Vorwürfe durch und hörte den Betroffenen dazu an. Der Verfasser dieses Artikels bestellte sich für den Piloten und versuchte das LBA vom Erlass eines OWi- Bescheides abzuhalten. Hierzu wurden erneut Flugbuchauszüge übersandt, die WZ-Zeiträume erläutert und die Flugdatenerfassung der Ehefrau vorgelegt. Doch das Luftfahrt-Bun­desamt ließ sich nicht beirren und legte dem Piloten ein Bußgeld in Höhe von 1000 Euro zuzüglich Gebühren auf.

Luftfahrt-Bundesamt unterstellt dem Piloten Vorsatz

Hierzu wurde der Bescheid auf folgende „Grundlagen“ gestützt: (Originaltext des LBA): „Ihr Verhalten stellt mehrere Verstöße gegen luftrechtliche Verordnungen und Gesetze dar, die gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 10 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Verstoß gegen:

  • 9 Abs. 2 LuftVZO = Die Zulassung kann eingeschränkt, geändert, mit Auflagen verbunden und befristet werden
  • 122 Abs. 1 LuftPersV = Privatluftfahrzeugführer….dürfen ein Luftfahrzeug, in dem sich Fluggäste befinden nur führen, wenn innerhalb der vorhergehenden 90 Tage mindestens drei Starts und Landungen… ausgeführt wurden.
  • 20 LuftVZO = Erlaubnispflichtiges Per­sonal
  • 58 Abs. 2 LuftVG = Die Ordnungswidrig­keit nach Absatz l…kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

Die Verstöße gegen die sicherheitsrechtlichen Bestimmungen wurden vorsätzlich begangen. “ Nach einem Einspruch und einer mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Braun­schweig bei dem der OWi-Bescheid – zurückhaltend ausgedrückt- „durchfiel“, kündigte der LBA-Vertreter unheilvoll an, man würde sich dazu in einem weiteren Verfahren sehen. Alle Beteiligten hatten eine solche Eskalation vermeiden können. Tatsachlich zunächst der Pilot: Denn ob die Ehefrau tatsachlich als Besatzung „durchgeht“ ist zwar vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 30.11.1983Az.: IVaZR 32/82: Fluggast ist nicht, wer dazu bestimmt ist, das Luftfahrzeug verantwortlich zu führen oder den verantwortlichen Luftfahrzeugführer dabei zu unterstützen….“) zu hoffen. Aber das es zumindest für Rückfragen sorgen kann, die zu vermeiden waren, wenn bei einer WZ tatsachlich nur lizensiertes Personal an Bord ist, drangt sich auf. Ganz nebenbei konnte die bei einem schwereren Unfall, bei dem nicht nur Kunststoff und Aluminium beschädigt ist, auch zu Diskussionen mit Versicherern führen. Dann hatte der Beauftrage der Bezirksregie­rung Münster, der die Meldung an das LBA verfasste, seine Erkenntnisse so hinterfragen sollen, dass es schon gar nicht zu Äußerungen wie „sogar…und es drangt sich der Verdacht auf“ hatte kommen müssen.

Letztlich hatte der Sachbearbeiter des LBA, der durch die Formulierung der Anzeige of­fensichtlich bereits „aufgeheizt“ war, sich mit einem Juristen austauschen sollen, ob es ausreicht, die Streudose von luftrechtlichen Paragraphen zu offnen, um einen Bußgeldbescheid zu erlassen, der unheilverkündend von bis zu 50 000 € Bußgeld spricht, um dann mit einem Pauschalangebot von 1000 € dem Be­troffenen andient, alles weitere würde ihm sicher seine Rechtsvertreter erklären.

Keine einzige der vom LBA genannten Vor­schriften begründete den Erlass eines Ordnungwidrigkeitenbescheids gegen den Be­troffenen.                     ■

 

Autor: Frank Dörner kennt die Luftfahrt nicht nur aus seiner Tätigkeit als Fachanwalt für Verwaltungs- und Luftrecht, sondern auch aus Pilotensicht und als Fluglehrer.

 

 

 

82 aerokurier 1/2014