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Das Air-Law Team gibt regelmäßig einen kleinen Einblick in ihr gesammeltes luftrechtliches Wissen, um die Mitglieder der Luftfahrtbranche über aktuelle und relevante Themengebiete zu informieren und aufzuklären. Veröffentlichungen finden Sie in den folgenden Journalen der Fachpressen. 

Treibstoffmanagement – eine Kardinalpflicht ausschließlich des Piloten/der Pilotin

Durch zwei Instanzen verlor ein Kläger bei dem Versuch, die Schuld an einer Notlandung wegen Treibstomangel bei einer Werft zu suchen und dort den Schaden geltend zu machen. Das Oberlandesgericht München bestätigte das klageabweisende Urteil des Landgerichtes, nachdem es sich den, bereits in der ersten Instanz eingesetzten, Sachverständigen nochmals anhörte. In einem Nebensatz nahm das Ausgangsgericht, das Landgericht Passau, in seinem Urteil (Az.: 1 O 115/19) einen Grundsatz auf, der schon häufig bei straf- oder zivilrechtlichen Gerichtsverfahren um Treibsto mangel und den daraus resultierenden Schäden zu finden ist. Für ausreichend Treibsto ist ausschließlich der Pilot bzw. die Pilotin zuständig.

Ein Grundsatz der in der Basicregulation, der VO(EU) 2018/1139 Anhang 5 wie folgt nachzulesen ist: Der „Kommandant“ (nach deutschem Sprachgebrauch und Formulierung z.B. in § 4 Abs. 4 LuftVG der „verantwortliche Luftfahrzeugführer“) muss sich davon überzeugt haben, d.h. ist dafür verantwortlich, dass die an Bord mitgeführte Menge an Kraftsto  ausreicht, um den beabsichtigten Flug sicher durchführen zu können, wobei die Wetterbedingungen, etwaige die Leistung des Luftfahrzeugs beeinflussende Elemente sowie erwartete Verzögerungen während des Fluges zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus muss für unvorhergesehenen Mehrverbrauch eine Reserve an Kraftsto /Energie mitgeführt werden. Für nicht-komplexe Flugzeuge, die nicht gewerblich genutzt werden, bedeutet dies z.B. bei VFR-Betrieb nach den AMC 1 zu NCO.OP.125(B), mindestens Treibsto für weitere 10 Minuten über den geplanten Flug hinaus, um mit Reiseflugleistung in 1.500ft/450m über dem Zielflugplatz weiter zu fliegen, wenn am selben Flugplatz gestartet und gelandet wird. Für Überlandflüge Sprit für weitere 30 Minuten (tagsüber) oder 45 Minuten (nachts) in dieser Höhe über dem Zielflugplatz. Auch wenn unvorhergesehene Umstände zu einem Mehrverbrauch führen, muss der verantwortliche Pilot eine als Reserve zu schützende Kraftsto menge einplanen, um eine sichere Landung zu gewährleisten. (vgl. VO (EU) 965/2012, Anhang VII, NCO.OP125(b) – in der geänderten Fassung gerade in Kraft seit dem 30.10.2022) 

In dem zu entscheidenden Fall meinte ein Pilot mit einer zweimotorigen Maschine, dass er für einen kurzen Flug mit nur 50 Kilometern Entfernung aus-reichend Treibsto  dabei hätte. Die Tankuhren hätten ihm eine ausreichende Spritmenge angezeigt. Obwohl er zuvor bereits länger geflogen war und am Startplatz eine Tankstelle vorhanden war, entschloss er sich, ohne nachzutanken zu starten. Im Anflug auf den Zielfl ugplatz ging der Treibsto  zur Neige und er entschloss sich zu einer Notlandung vor dem im Endanflug liegenden Wald. 

Die Landung glückte allerdings mit Beschädigung seines Flugzeuges. Die Bugradaufhängung brach, die Rumpfunterseite wurde beschädigt und der vordere Propeller hatte unsanften Bodenkontakt. Er beklagte daraufhin die Flugwerft, bei der die Maschine zuvor gewartet wurde und forderte über 100.000 € ein. Er trug vor, die Werft habe entgegen den Herstellervorgaben bei der Inspektion der Kraftstotanks diese nicht gallonenweise betankt und die Tankuhren und den Tankgeber entsprechend kalibriert. Zudem sei das Flugzeug vor der Kontrolle der Tankanzeige durch die Beklagte nicht ordnungsgemäß nivelliert worden. Vor dem Unfallflug im Sommer 2018 hätten die Tankanzeigen insgesamt 30 Gallonen angezeigt, wobei er für den 15-minütigen Flug 10 Gallonen berechnet hätte und noch ausreichend Reserve vorhanden gewesen sei. Der Pilot habe darauf vertraut, dass die Tankuhren, wie bei vorangegangenen Kontrollen korrekt justiert worden seien. Aufgrund der Besonderheiten des Tankeinbaus könne weder durch Sicht- noch durch sonstige Kontrolle die Treibsto menge im Tank, d.h. die ausfliegbare Kraftsto menge, korrekt ermittelt werden. Die Werft trug vor, nach Herstellervorgaben gearbeitet zu haben. Den Beweis dazu, dass die Werft hier fehlerhaft gearbeitet hatte, konnte der Kläger aber nicht führen. Bereits aus diesem Grund scheiterte seine Klage und die angestrengte Berufung (OLG München, Urt. vom 29.06.2022, Az. 13 U 3230/21). Aber selbst, wenn die Werft Fehler gemacht hätte, so das Landgericht, würde die Klage am „weit überwiegenden Mitverschulden des Piloten scheitern“.  „Der Pilot habe vor dem Flug keine visuelle Überprüfung des Kraftstostandes durchgeführt und das Flugzeug auch nicht vorsorglich zumindest mit der für den Flug erforderlichen Kraftsto menge (zuzüglich der vorgeschriebenen Reserve) betankt. Er habe damit grundlegende Vorsichtsmaßnahmen, die sich aus dem Flughandbuch ergeben und im Flugwesen allgemein anerkannt sind, außer Acht gelassen, indem er sich ausschließlich auf die Kraftstoanzeige verließ.“ 

Das Landgericht verweist zudem auf ein vom Kläger selbst vorgelegtes Gutachten, welches ausführt, dass Tankuhren ungenau seien und je nach Stand des Luftfahrzeugs (Ebene) stark von der tatsächlichen Menge abweichen könnten. Der dortige Gutachter nahm dabei Bezug auf ein Informationsblatt der Flugunfalluntersuchungsstelle beim Luftfahrt-Bundesamt (FUS, heute eigenständig die BFU): „Tankanzeigen sind ungenau und können eine Kraftsto verbrauchsberechnung nicht ersetzen“. Wobei Kraftsto verbrauchsberechnung – dies ergibt sich aus dem Informationsschreiben – nicht bedeutet, dass die Tankuhr abgelesen und berechnet wird, ob die angezeigte Menge für den beabsichtigten Flug reicht, sondern es müsse der Kraftsto verbrauch seit der letzten Betankung, einschließlich der bereits zurückgelegten Strecken, einkalkuliert werden. Aus dem Informationsblatt ergibt sich eindeutig, dass der Tankuhr zur Ermittlung des noch ausfliegbaren Kraftsto es nicht vertraut werden darf. Wenn der Pilot entsprechende Berechnungen angestellt hätte, so das Landgericht, hätte ihm eine Diskrepanz zwischen der Tankanzeige und seinen Berechnungen Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit entweder der Anzeige oder seiner Berechnungen geben müssen, so dass eine vorsorgliche Betankung vor dem Flug angezeigt gewesen wäre. In jedem Fall handelt es sich um ein Versäumnis, das in die Verantwortlichkeit des Piloten fällt und einen etwaigen Wartungsmangel erheblich überwiegt. Nach den in Fachkreisen bekanntlich ungenauen Treibsto anzeigen darf ein Luftfahrzeugführer sich nicht auf diese verlassen, vielmehr hat er eine Sichtprüfung des Tankinhalts vorzunehmen oder er hat vollzutanken. Es ist grob fahrlässig, ohne vorherige Sichtkontrolle der Treibstoreserve ein Flugzeug in Betrieb zu nehmen. Eine Notlandung infolge Treibsto mangels wird grob fahrlässig verursacht, indem das Luftfahrzeug entgegen den gesetzlichen Pflichten in Betrieb genommen wird, ohne sich vor Antritt des Fluges etwa durch eine entsprechende Sichtkontrolle darüber zu vergewissern, dass noch ausreichend Kraftstovorrat vorhanden ist, und falls dies nicht möglich ist, gegebenenfalls nachzutanken (vgl. OLG Potsdam, Urteil vom 28.09.2006, Az. 12 U 82/05). Es stellt somit – unabhängig davon, ob der Grad der groben Fahrlässigkeit bereits erreicht ist – eine erhebliche Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar, dass sich der Pilot, als er den Flug antrat, hinsichtlich des vorhandenen Kraftstos allein auf die (ohnehin und unabhängig von einem etwaigen Wartungsmangel) ungenaue Kraftsto an-zeige verlassen hat, ohne vorsorglich die erforderliche Menge nachzutanken, zumal nach eigenem Vortrag der Klägerin die (im Flughandbuch vorgeschriebene) Sichtkontrolle aufgrund der Eigenart der Tankform eine Mengenermittlung, ggfs. mittels Peilstab, nicht zulässt. Hinter diesem erheblich sorgfaltswidrigen Mitverursachungsanteil würde eine etwaige Mitverursachung seitens der Beklagten vollumfänglich zurücktreten.

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