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Das Air-Law Team gibt regelmäßig einen kleinen Einblick in ihr gesammeltes luftrechtliches Wissen, um die Mitglieder der Luftfahrtbranche über aktuelle und relevante Themengebiete zu informieren und aufzuklären. Veröffentlichungen finden Sie in den folgenden Journalen der Fachpressen. 

Grobe Fahrlässigkeit – Kollision von zwei Hubschraubern

Versicherungseinwand: Grobe Fahrlässigkeit

 

Bei einem Unfall in Schweden wurde eine Robinson R 44 komplett zerstört und eine zweite R 44 stark beschädigt.

 

Mit den beiden Hubschraubern waren vier erfahrende Piloten gemeinsam unterwegs. Bei einer Außenlandung, die in Schweden fast überall zulässig ist, kollidierte bei dem Landeversuch des zweiten Hubschraubers der Hauptrotor mit der ab Boden bereits abgestellten ersten R 44. Ein Besatzungsmitglied der vorausfliegenden Maschine winkte dabei die Piloten der zweiten R 44 noch ein

Die Eigentümer meldeten den Totalschaden bei ihrer Vollkaskoversicherung an. Doch die wollte mit dem Argument, der Pilot habe grob fahrlässig gehandelt, den Schaden nicht regulieren:

In der ersten Instanz vor dem Landgericht (LG) München hatte die Versicherung verloren mit der Begründung des Gerichts, es fehle bei der unterstellten groben Fahrlässigkeit zumindest an der subjektiven Komponente.

Die Flugbesetzung des Hubschraubers hatte das Landefeld beim Überflug begutachtet und keiner der insgesamt vier beteiligten Piloten habe offenbar Bedenken gehabt.

Die Versicherung ging zunächst in die Berufung zum Oberlandesgericht (OLG). Nachdem jedoch auf das OLG ankündigte, der Entscheidung des LG folgend zu wollen, zog die Versicherung ihre Berufung und zurück und bezahlte nun – fast drei Jahre später die Versicherungsleistung aus.

Die Berufung hatte, so das OLG München keine Aussicht auf Erfolg.

Zu Recht habe das Landgericht das Vorliegen grober Fahrlässigkeit verneint. Grob fahrlässig handele nach gefestigter Rechtsprechung derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit habe also einen objektiv schweren und subjektiv unentschuldbaren Verstoß gegen die im konkreten Fall gebotene Sorgfalt zum Inhalt.

Auch das OLG kam unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls der Auffassung, dass der Kläger den Versicherungsfall nicht grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Die Erholung eines von der Versicherung geforderten Sachverständigengutachtens zu der Frage nach der Eignung des Landeplatzes wurde Recht abgelehnt, da Begriff der groben Fahrlässigkeit eine Rechtsfrage sei und  nicht dem Sachverständigenbeweis zugänglich sei.

Entgegen der Behauptung der Versicherung habe das Landgericht die maßgeblichen Faktoren, die nach dem Schlussbericht der Schwedischen Unfalluntersuchungskommission und einem Gutachten eines Privatsachverständigen den Unfall verursacht haben wie z.B. den unebenen Untergrund und den begrenzten hindernisfreien Raum des Landeplatzes, nicht unberücksichtigt gelassen.

Nach dem Schlussbericht der Schwedischen Unfalluntersuchungskommission hat der unkontrollierte Ablauf der Ereignisse begonnen, als der Hubschrauber auf leicht abschüssigem Gelände leicht nach hinten abkippte. Der Pilot sei davon — wahrscheinlich — überrascht worden und habe versucht es zu korrigieren. Dabei kam es zu einer unkontrollierten Fluglage der R44.

Nach Beendigung des Landeanflugs von der Seeseite her, hoverte der Kläger und Berufungsbeklagte auf das geplante Landefeld zu. Als die Kufen seines Hubschraubers den Boden berührten, kam es aufgrund einer Unebenheit am Boden zu einer Kippbewegung des Hubschraubers nach hinten. Der avisierte Landeplatz war offensichtlich aufgrund der auslaufenden Uferböschung nicht vollständig eben und waagerecht.

Erschrocken über die plötzliche Kippbewegung des Hubschraubers, zog der Kläger den kollektiven Blattverstellhebel, den „Pitch“,  rasch nach oben, um der Kippbewegung entgegenzuwirken und wieder zu steigen.

Durch das Ziehen des Pitchs, mit dem eine Veränderung des Drehmoments verbunden ist, wäre ein koordiniertes Gegensteuern entgegen dem Drehmoment des Motors mit dem linken Pedal erforderlich gewesen.

Da dies nicht optimal gelang drehte sich der Hubschrauber um die Hochachse mit dem Heckausleger nach rechts. Gleichzeitig gewann der Hubschrauber wieder an Höhe und die Rotorebene kippte leicht nach vorne. Dabei kollidierte er mit dem Heck des zweiten Hubschraubers.

Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls hat der Pilot, so das angerufene Gericht, daher den Versicherungsfall nicht grob fahrlässig herbeigeführt. Der Landeplatz war zwar, wie insbesondere auch durch Bilder belegt, nicht eben und auch eingeengt. Andererseits war eine Landung ohne weiteres möglich, wie die Landung des vorausfliegenden Hubschraubers kurz vor dem streitgegenständlichen Vorfall belegte.

Vier erfahrene Piloten hatten den Landeplatz, nachdem sie das Gelände durch Überflug erkundet hatten, für völlig unbedenklich gehalten.

Und genau aufgrund dieses Umstands fehle es – so übereinstimmend das Landgericht und das Oberlandesgericht – an der subjektive Unentschuldbarkeit des Verhaltens des Piloten.

 

Frank Dörner, Rechtsanwalt, Luftfahrtsachverständiger, München

 

Veröffentlicht im AEROKURIER 04/2014