Publikationen

Das Air-Law Team gibt regelmäßig einen kleinen Einblick in ihr gesammeltes luftrechtliches Wissen, um die Mitglieder der Luftfahrtbranche über aktuelle und relevante Themengebiete zu informieren und aufzuklären. Veröffentlichungen finden Sie in den folgenden Journalen der Fachpressen. 

Flugplatz und Verkehrssicherungspflicht

Die Haftung für Glatteisunfälle von Fußgängern wegen Verletzung der Räum- und Streupflicht sind allgemein bekannt. Doch was hat es mit der Verkehrssicherungspflicht von Flugplatzbetreibern auf sich und was genau ist davon umfasst?

Dieser Artikel soll niemanden verunsichern – im Gegenteil. Er soll über die Risiken und damit verbundenen Pflichten aufklären, damit sich die Verantwortlichen entsprechend verhalten können, denn dann hat auch niemand etwas zu befürchten.

Anspruchsgrundlage BGB

§ 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt, dass derjenige, der „vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen verletzt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist.“

Eine Verkehrssicherungspflicht entsteht, wenn jemand eine Gefahrenquelle schafft. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass eine Verkehrsfläche (Straße, Gehweg, Einkaufszentrum, Flugplatz, Wartehalle) anderen Menschen zugänglich gemacht wird. Der Verkehrssicherungspflichtige, i.d.R. der Eigentümer, Mieter oder Pächter, hat dann dafür zu sorgen, dass auf diesen Verkehrsflächen niemand zu Schaden kommt. Soweit der Grundsatz. Doch was genau ist damit gemeint und wie weitreichend sind diese Pflichten?

Grundsatz der Verschuldenshaftung

Ein Flugplatzbetreiber haftet wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, wenn er oder ein Repräsentant vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Nach § 276 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Nach § 26 BGB ist der Vorstand eines Vereins verpflichtet, den Betrieb des Vereins so zu organisieren, dass es nicht zu Schadensfällen kommen kann. Verletzt der Vorstand diese Pflicht, haftet sowohl der Verein wie u.U. der Vorstand persönlich mit seinem Privatvermögen für dieses Organisationsverschulden. Manche Luftfahrt-Landesverbände haben pauschal für alle Vorstände der Mitgliedsvereine eine Versicherung abgeschlossen hinsichtlich Organisationsverschulden des Vorstandes. Eine Anfrage lohnt also – nicht erst im Schadensfall.

Räumliche Erstreckung

Zunächst erstrecken sich die Verkehrssicherungspflichten auf den eigenen Bereich. Eine Ausnahme bildet gewissermaßen die Übertragung der Räum- und Streupflichten durch öffentliche Verordnungen oder Satzungen von Städten und Gemeinden auf die Eigentümer von Grundstücken für die vor den Grundstücken gelegenen Gehwege und Straßen.

Ein Flugplatz muss also mindestens in der von der Behörde vorgeschriebenen Form abgesichert sein, beispielsweise durch Hinweisschilder, Absperrungen u.ä.. Dies betrifft selbstverständlich auch den Flugbetrieb, damit Piloten, Fluggäste, Vereinsmitglieder usw. nicht gefährdet werden.

Hiervon betroffen ist der gesamte Bereich des Flugplatzes, also insbesondere Parkplätze, Zufahrtsstraßen, Anlagen und Gebäude, Rollwege, Startbahnen, aber auch nicht berollbare Flächen wie Wiesen etc..

Persönliche Erstreckung

Bei einer natürlichen Person ist die Sachlage einfach, diese haften mit ihrem gesamten Vermögen, bei juristischen Personen gibt es keine Abweichungen von den allgemeinen Haftungsvorschriften. Häufig wird übersehen, dass bei Vereinen zunächst zwar grundsätzlich der Verein für ein Verschulden seiner Organe (Vorstand), aber jedes Organ bei eigenem Verschulden (auch) persönlich haftet. Die Verkehrssicherungspflichten bestehen aus Aufsichtspflichten, Überwachungspflichten und Instruktionspflichten, für deren Erfüllung der Vorstand verantwortlich ist.

Zunächst einmal ist der Eigentümer eines Grundstücks für die Verkehrssicherung verantwortlich. Aber Vorsicht: Diese Pflicht kann zum einen durch Vertrag übertragen werden, zum anderen ist nach der Rechtsprechung des BGH derjenige verantwortlich, in dessen Verantwortungsbereich die Gefahrenquelle liegt. Dies wird häufig der Mieter sein.

In vielen Miet- oder Pachtverträgen werden die Verkehrssicherungspflichten auf den Mieter oder Pächter übertragen, und zwar auch mit Wirkung für den Vermieter, der dann nur noch überwachungspflichtig ist. Dies macht auch Sinn, da der Eigentümer meist keinen oder doch nur noch einen sehr eingeschränkte Zugriff- und Überwachungsmöglichkeit betreffend die vermietete Sache hat. Daraus entsteht ein hohes Haftungsrisiko für den Mieter, welches unbedingt durch entsprechende Versicherungen abgesichert werden sollte, die auch die Organe, Vertreter und Erfüllungsgehilfen eines Vereins mit einschließt.

Der Vertragsgestaltung der Miet- und Pacht- sowie der Versicherungsverträge sollte daher erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden, häufig ist hier anwaltliche Beratung angebracht.

Umfang der Sicherungspflicht

Nicht jeder Schaden kann verhindert werden. Daher ist „nach ständiger Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dabei ist zu beachten, dass eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, nicht zu erreichen und nach der berechtigten Verkehrsauffassung auch nicht zu erwarten ist. Deshalb umfasst die rechtlich gebotene Verkehrssicherung lediglich die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.“

Wichtig ist auch, dass Nichtstun oder „Unterlassen“, wie die Juristen es nennen, dem Tun gleichsteht.

Welche konkreten Gefahren drängen sich auf?

Ein Flugplatzbetreiber muss darauf achten, dass gefahrloser Flugbetrieb möglich ist. Dazu gehört nicht nur, dass die Rollwege und Startbahnen frei von Beschädigungen und ausreichend eben sind und dass ordnungsgemäßen Markierungen eine Selbstverständlichkeit darstellen. Im Winter müssen sie frei von Schnee und Eis sein. Nicht berollbare Flächen müssen ausreichend gekennzeichnet und gegebenenfalls mit Absperrungen versehen sein. Graspisten müssen eben sein, der Bewuchs muss niedrig gehalten werden, sie müssen auf Maulwurfshügel und Mauslöcher überprüft und letztere gegebenenfalls geschlossen werden. Auch die Abstellflächen sind einer ständig wiederkehrenden Kontrolle zu unterziehen: Vergessene Erdanker stellen für rollende Flugzeuge eine erhebliche Gefahr dar und sind zu beseitigen.

Eine kontinuierliche Kontrolle der Verkehrsflächen ist daher unumgänglich. Die Frage, in welchen Zeitabständen dies erfolgen muss, kann nicht pauschal beantwortet werden. Spätestens dann, wenn Anzeichen für eine sich anbahnende Gefahrenlage vorhanden sind, beispielsweise weil nach starken Regenfällen die Gefahr des Einsinkens im aufgeweichten Untergrund besteht, muss eine entsprechende Kennzeichnung und Absperrung erfolgen; ist bekannt, dass Maulwürfe und Wühlmäuse ihr Unwesen treiben, muss in kurzen Abständen von gegebenenfalls wenigen Tagen oder sogar täglich vor dem Flugbetrieb eine Kontrolle stattfinden.

Auch ist die Hindernisfreiheit zu überwachen. Ist der Randbewuchs zu hoch, muss eingekürzt werden. Dies gilt auch für Eigentümer von angrenzenden Grundstücken. Sofern diese nicht selbst tätig werden, muss die zuständige Landesluftfahrtbehörde eingeschaltet werden. Nur von dort aus ist ggf. eine Anordnung dazu möglich.

Auszug aus einer Entscheidung des Oberlandesgericht Düsseldorf vom 14.09.2001, Az.: 22 U 56/01:

„Der Flughafengesellschaft obliegt aufgrund der Eröffnung des Flugplatzes die privatrechtliche Verkehrssicherungspflicht des Geländehalters; sie trägt deshalb die Verantwortung für den betriebssicheren Zustand der für die Bewegung von Luftfahrzeugen bestimmten Flächen und damit auch für die gefahrlose Befahrbarkeit eines als Flugzeugabstellplatz ausgewiesenen Wiesengrundstücks.

Die Flughafengesellschaft verletzt ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft, wenn sie auf einem Wiesenabstellplatz für Flugzeuge einen zwar wiederaufgefüllten, aber aufgrund längerer intensiver Regenfälle aufgeweichten Kabelgraben nicht durch eine Absperrung kennzeichnet und deshalb ein Flugzeug mit seinem Bugrad in dem aufgeweichten Erdreich versinkt und beschädigt wird“

Organisation

Auch mangelhafte Organisation kann zur Haftung führen. Wird versäumt, den Betrieb bestmöglich zu organisieren, liegt eine Pflichtverletzung vor.

Was ist zu tun?

Es muss durch entsprechende Dienstanweisungen u.a. geregelt werden die Anmeldung des Flugbetriebs, das Messen der Windrichtung und -stärke, Entscheidungen zum Windenbetrieb, Grundätze zum Festlegen der Start- und Landerichtung, Aufstellung der Landebahnmarkierungen, Festlegungen zu notwendigen Sperrungen, Festlegungen zum Aufstellen einer Winde, Festlegungen zum Feststellen des Platzzustandes (insbesondere hierfür geltende Intervalle), Festlegung der Grashöhe, Überprüfung auf offensichtliche Hindernisse, Maulwurfshügel, Schäden, Erdanker u.a., Überprüfung von Brandschutz- und Rettungsgerät auf Vollständigkeit und Funktionsfähigkeit, Hinweis auf die Beachtung der Tankanweisung, Festlegung der Mitteilung von festgestellten Mängeln an den Vorstand. Hiervon mitumfasst ist auch die Festlegung der dafür vorgesehenen Intervalle und persönlichen Zuständigkeiten.

Es sollte ein Alarmplan bei Flugunfällen sowie eine Anweisung für Sofortmaßnahmen am Unfallort vorhanden und gut sichtbar ausgehängt sein, sowie die Telefonnummern von Rettungsdienst / -helikopter aushängen.

Hierbei handelt es sich um eine nicht abschließende, beispielhafte Aufzählung.

Strafrechtliche Relevanz

Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflichten kann auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wir ein Mensch aufgrund unterlassener Sicherungen verletzt oder getötet, so stehen die Vorwürfe der fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung im Raum.

Versicherungen

Mit dem Betrieb eines Flugplatzes sind wie oben dargelegt, hohe Haftungsrisiken verbunden. Daher sollte der Betreiber ein großes Interesse daran haben, diese Risiken soweit irgend möglich durch Versicherungen abzusichern, wobei zum einen darauf geachtet werden muss, dass zeitgemäße Haftungssummen vereinbart werden, zum anderen, dass auch die Vorstände, Geschäftsführer und Erfüllungsgehilfen in die Versicherungsverträge mit einbezogen werden. Auch eine D&O Versicherung für die Vorstände bzw. Geschäftsführer ist anzudenken.

Sofern Gebäude vorhanden sind, ist eine umfassende Gebäudehaftpflichtversicherung zu empfehlen.

An die Absicherung folgender Risiken ist zu denken:

– Gebäudehaftpflichtversicherung

– Haftpflichtversicherung             –

– für Halter von Landeplätzen und Fluggeländen

– für Luftfahrtveranstalter

– für das Halten von nicht zugelassenen Fahrzeugen

– für Flugleiter

– für technisches Personal

– gegen das Risiko beim Be- und Enttanken von Luftfahrzeugen

– gegen das Risiko aus dem Unterstellen und dem Ein- und Aushallen von fremden Luftfahrzeugen

– D&O Versicherung

– Unfallversicherung

– Rechtsschutzversicherung (i.d.R. nur für die Geltendmachung von eigenen Ansprüchen, die Abwehr unberechtigter Ansprüche übernimmt die jeweils eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung im Rahmen des sog. passiven Rechtsschutzes)

Eine kurze Zusammenfassung des Artikel erschien im Fliegermagazin 09/19. Als pdf hier

Ass.jur Werner Hupfauer

RA Frank Dörner