Freelancer in der Fliegerei: Pilot, Fluglehrer oder Prüfer – all diese Tätigkeiten werden sehr häufig ohne feste Anstellung oder auch ohne Einbindung in eine Organisation durchgeführt. Dahinter kann sich viel Risiko verbergen.
Herkunft des Begriffs:
Die Herkunft der Bezeichnung kann ironischerweise das häufig dahinterstehende Risiko besser beschreiben als viele anderen Umschreibungen: Mit der „Freien Lanze“ oder „Freien Speerspitze“ war der Söldner gemeint, der ohne dauerhafte oder geborene Verbindung zum Feldherrn seinen Kopf im Kampf hingehalten hat.
Das klingt überzogen, denn die Fliegerei ist erfreulicherweise meist alles andere als ein Kampf. Aber wenn sie dann doch einmal dazu wird und dabei Mensch oder Maschine geschädigt werden, steht der/die Freelancer(in) oft völlig ohne Absicherung da! Das kann existentielle Folgen haben.
Aktuelles Urteil:
Erst vor kurzem hat das Landgericht Augsburg einen freiberuflichen Piloten zum Schadenersatz von über 350.000 €verurteilt, weil er bei objektiv unterschrittener Landebahnsicht (RVR) aber mit Landefreigabe einen Landeversuch unternommen hat und dabei das Flugzeug völlig zerstört und fünf Personen, teils schwer, verletzt wurden. Das Gericht urteilte „grob fahrlässig“ und verpflichtete den Piloten, der Kaskoversicherung den, gegenüber dem Eigentümer ausbezahlten Versicherungsbetrag, zu ersetzen. Er sei zwar als benannter Pilot berechtigt, das Flugzeug zu fliegen, gelte aber nicht als „Mitversicherter“. „Einflug in schlechtes Wetter“, „mangelndes Treibstoffmanagement“, „die vergessene Bugradgabel“ oder auch „die mangelhafte Weight & Balance-Berechnung“ sind die Klassiker der Einfallstore der Versicherer, um die Deckung zu versagen oder beim Piloten einen Regress anzustrengen.
Aber es kommt noch schlimmer: Im obigen Fall fordert nun auch Berufsgenossenschaft die Heil- und Behandlungskosten für die verletzten Passagiere vom Freelance-Piloten. Arbeitsunfälle seien dabei, aufgrund einer wenig bekannten Klausel, nicht von der Passagierhaftpflichtversicherung des Flugzeuges abgedeckt, argumentiert die Versicherung, und der Pilot selbst hat keine eigene Haftpflichtversicherung für seine Art der Tätigkeit.
Er würde nämlich als Freelancer „selbstständige Luftfrachtführer-Dienstleistungen“ anbieten mit der Folge, dass er für die Passagiere haftet!
Genauso kann es auch Fluglehrern gehen, die z.B. den Schulungsflug auf einer vom Kandidaten selbst mitgebrachten Maschine durchführen. Wenn dann die Landung in fünf Meter Höhe endete oder z.B. das Fahrwerk nicht ausgefahren war, ist im Nachhinein die Diskussion darüber, warum kein Haftungsverzicht (vgl. auch hier) erklärt wurde oder die Kaskoversicherung einen hohen Selbstbehalt hat, anstrengend. Plötzlich betont der Eigentümer des Luftfahrzeuges ungewohnt deutlich, dass nach § 4 Abs. 4 LuftVG der Lehrer (oder Prüfer) der verantwortliche Luftfahrzeugführer sei. „Bei Geld hört die Freundschaft auf“ ist eine Erfahrung, die schon einige Piloten machen mussten.
Bei einem Personenschaden hat der Fluglehrer zudem hoffentlich eine Haftpflichtversicherung. Dies ist leider keine Pflicht. Weder für die Flugschule noch für den Lehrer. Und wenn eine Absicherung über einen Luftsportverband besteht, muss der Flug auch im Rahmen der Verbandstätigkeit durchgeführt worden sein! Das ist bei der mitgebrachten Privatmaschine schwer zu argumentieren.
Fluglehrer-/Prüferhaftplichtversicherung:
Tatsächlich gibt es immer wieder Fälle, bei denen schlicht niemand eine Fluglehrerhaftpflichtversicherung abgeschlossen hat und die Passagierhaftpflichtversicherung greift nicht.
Zuletzt die Examiner, die CRE, TRE, oder FE: Auch sie sind in den seltensten Fällen abgesichert. Sie sind zwar durch die Behörde mit Ausstellung der Prüfberechtigung legitimiert, eine Beurteilung über die Flugfertigkeiten eines Piloten/einer Pilotin abzugeben. Aber sie werden heute nur in den seltensten Fällen (regelmäßig nur bei Erstprüfungen oder im Luftsportgerätebereich) direkt durch eine Behörde (oder einen beliehnen Verband) beauftragt. Dann nämlich lässt sich bei einem Unfall an Staatshaftung denken. Meist sucht der Pilot/die Pilotin sich den Prüfer selbst aus, um eine Befähigungsüberprüfung zu machen. Und wenn dabei etwas schief geht, verweisen Geschädigte wiederum gerne auf § 4 Abs. 4 LuftVG und nehmen den/die Prüfer(in) in die Pflicht.
Ergo: Gerade zum Saisonstart, bei dem Checkflüge (also auch Auffrischungsschulungen, Übungsflüge etc.) wieder sehr gefragt sind, müssen die „Freelance“-Flieger zum einen unbedingt ihren eigenen Haftpflichtversicherungsschutz für Personenschäden überprüfen, für Sachschäden am eingesetzten Luftfahrzeug entweder eine eigene Zusatzversicherung abschließen oder mit dem jeweiligen Eigentümer zumindest einen Haftungsverzicht für fahrlässig verursachte Sachschäden vereinbaren und nicht zuletzt auch für sich selbst einmal über Unfall- und Lebensversicherungen, die das Flugrisiko incl. Lehr- oder Prüftätigkeit einschließen, nachdenken.
Dazu sollte man geeignete Ansprechpartner aus der Versicherungsbranche auswählen, die auch eine Luftfahrtkompetenz haben.
Den im Fliegermagazin 05/19 erschienene Artikel finden Sie hier als pdf