Legal – illegal?
Nicht selten sind an unseren Flugplätzen Luftsportgeräte mit ausländischen Kennung anzutreffen. Ab und zu tatsächlich zu Besuch und gesteuert von FliegerkameradInnen aus dem Ausland.
Weitaus häufiger sind diese Flieger jedoch am Platz beheimatet oder haben ihren regelmäßigen Standort an einem anderen deutschen Fluggelände und gehören deutschen Staatsangehörigen oder stehen zumindest im Eigentum von Personen, die ihren hauptsächlichen Wohnsitz in Deutschland haben.
Die Vorschrift des § 99 LuftVZO beschäftigte sich in seiner ursprünglichen Version von 1979 insgesamt mit „Kennzeichen und Versicherungsnachweis ausländische Luftfahrzeuge“.
Bereits in der Fassung aus dem Jahr 1993 (Fassung vom 26.05.1993, in Kraft seit 09.06.1993) sind die beiden zusätzlichen Absätze (2) und (3) enthalten, die sich ergänzend mit Luftsportgeräten beschäftigen.
Die aktuelle Situation
Aktuell erregt ein Schreiben des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) an die beiden beauftragten Verbände DAeC und DULV großes Aufsehen. Die Verbände werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass der § 99 Abs.2 LuftVZO beachtet wird und Betreiber von, im Ausland zugelassenen, Luftsportgeräten gegroundet werden.
Die Entscheidung deutscher, oder in Deutschland ansässiger Betreiber dazu, eine ausländische Kennung bzw. ausländische Zulassung zu nutzen, kann sehr unterschiedliche Motivationen haben.
Durch die Zuordnung von leichten Flugzeugen mit bis zu 450 kg Abfluggewicht (zzgl. 22,5 kg bzw. seit 2018 zzgl. 25 kg für das Rettungsgerät) zu Annex I der europäischen Luftfahrt-Grundverordnung (Basic-Regulation VO(EU) 2018/1139), sind Entwicklung, Herstellung, Instandhaltung und Betrieb dieser Geräte dem jeweiliegen nationalen Gesetzgeber der Mitgliedstaaten zugewiesen. Zu dem seit 2018 auch Flugzeuge mit bis zu 600 Kilo Abfluggewicht, wenn der jeweilige Mitgliedstaat per Opt-In erklärt hat, auch hierfür zuständig sein zu wollen. Dies hat die Bundesrepublik getan und die Ultraleichtszene freut sich seit der LTF-UL 2019 über eine Bauvorschrift, die grundsätzlich auch die Zulassung von 600-kg-UL‘s ermöglicht.
Nicht alle Hersteller sind in der Lage, den Anforderungen der deutschen Bauvorschrift zu genügen. Nicht selten liegt es an einem zu hohen Leergewicht. Die deutsche Bauvorschrift möchte neben dem Nachweis einer Zuladung von 200 Kilo auch den Betrieb des Motors unter Volllast für 1 Stunde gewährleistet haben. Je nach Triebwerk ergibt sich damit ein Höchstleergewicht zwischen 375 und 385 kg. Auch andere Nachweise sind anspruchsvoll und aufwendig. Zum Beispiel den Nachweis zur Festigkeit beim Entfaltungsstoß während dem Öffnen des Rettungsschirms bei v(ne) und maximalem Abfluggewicht.
Die Bauvorschriften der Mitgliedstaaten und die Verwaltungs- und Zulassungspraxis sind dabei sehr unterschiedlich. So kann es passieren, dass ein UL im benachbarten Mitgliedstaat zugelassen ist und in Deutschland keinerlei Aussicht auf (Muster-) zulassung hat.
Andere befinden sich im Musterzulassungsprozess und könnten eventuell sogar mit einer vorläufigen Verkehrszulassung betrieben werden. Die VVZ hält aber eigene Hürden bereit. Typischerweise mit der Beschränkung auf namentlich genannte Piloten, dem ausschließlich in der Bundesrepublik möglichen Flugbetrieb und zum Beispiel einer Befristung. Auch in diesem Fall erscheint es dann unkomplizierter, das Luftfahrzeug im Ausland zuzulassen.
Auch Lizenzvorschriften, die Vorgaben zu Nachprüfung, Instandhaltung oder auch der Einsatz von besonderer Ausrüstung, wie z.B. Autopiloten, sind in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich geregelt.
Da die Bundesrepublik davon absieht, für Luftsportgeräte eine-ansonsten grundsätzlich erforderliche Einflug-Erlaubnis-zu fordern, kann sehr bequem auch mit ausländischer Zulassung in das Hoheitsgebiet eingeflogen werden. Verbleib, Ausflug oder Stationierung werden nicht erfasst.
Die Begründung dazu, nun sehr vehement auf die gesetzlichen Vorgaben hinzuweisen, sieht das Bundesverkehrsministeriums darin, dass immer wieder deutlich überladene Luftsportgeräte in den Flugunfalluntersuchungsberichten der BFU auftauchen. Und das teilweise mit ausländischer Zulassung. Da die BFU nicht zwingend überhaupt Unfälle mit Ultraleichtflugzeugen untersucht, ist eine objektive Statistik schwer zu erstellen. Auch die Internetdatenbank „Aviation-Safety-Network“ kann hier nicht wirklich verlässliche Zahlen liefern. Nach dieser Datenbank waren in den letzten 10 Jahren rund 280 Zwischen- oder Unfälle mit ultraleichten Luftfahrzeugen in Deutschland zu beklagen. Zu knapp 15 Unfällen ist hierbei ein ausländisches Kennzeichen notiert.
Das grundsätzliche Interesse der deutschen Behörden an der Flugsicherheit beim Betrieb von Luftsportgeräten ist zu begrüßen. Den Verbänden wurde ausschließlich die Aufsicht über die Entwicklung, Herstellung, die Instandhaltung und die Lizenzierung beim Betrieb von Luftsportgeräten übertragen. Strafverfolgungsbehörden für Ordnungswidrigkeiten ist das Luftfahrt-Bundesamt. Für Straftaten die jeweils örtlich zuständige Staatsanwaltschaft.
Ordnungswidrigkeit oder Straftat?
Da das Luftfahrt-Bundesamt vergeblich nach einer Ordnungswidrigkeitenvorschrift zur Ahndung eines Verstoßes gegen § 99 Abs. 2 LuftVZO gesucht hat, wird dort die Ansicht vertreten, dass es sich um eine Straftat nach § 60 LuftVG handelt. Diese Ansicht ist angreifbar. Der in Deutschland geltende strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz fordert eine eindeutige und unzweifelhafte Strafandrohung für ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen. § 60 LuftVG differenziert nicht zwischen einer inländischen und einer ausländischen Zulassung. Auch ein Ausländer könnte grundsätzlich den Straftatbestand verwirklichen, wenn er gänzlich ohne Zulassung unterwegs wäre.
Die ausländisch zugelassenen Luftsportgeräte haben typischerweise eine Muster- und Verkehrszulassung. Aber eben aus dem Ausland. Ein deutscher Staatsangehöriger, bzw. eine Person mit ständigem Wohnsitz in Deutschland, fliegt damit nicht ohne „Verkehrszulassung“ sondern (nur) unter Verletzung des § 99 LuftVZO.
Zudem ist der Begriff des „Betreibens“ nicht automatisch mit „Führen“ eines solchen Luftfahrzeuges gleichzusetzen. Der Betreiber wäre in Anwendung europarechtlichen Definitionen in Deutschland mit dem „Halter“ zu interpretieren.
Auch der Begriff „Luftsportgerät“ ist nirgends legal definiert. Selbstverständlich stünde es einem deutschen Staatsangehörigen offen, ein solches Luftfahrtgerät von einem ausländischen Betreiber unter Beachtung der dortigen Lizenzvorgaben zu mieten, und damit nach Deutschland einzufliegen. Nicht zuletzt wäre ein Verein oder eine Firma kein „Staatsangehöriger“.
Die Vorschrift und die gegebenenfalls damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten bei Verletzung derselben erscheinen nicht als gesetzgeberische Glanzleistung. Strafgerichte müssten sich bei einer entsprechenden Anzeige mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den o.g. Begrifflichkeiten auseinandersetzen.
Aber auch ohne Strafgerichte kann es für die „Betreiber“ von ausländisch zugelassenen Luftsportgeräten ungemütlich werden. Das Ministerium fordert dazu auf, gegebenenfalls ein Start-oder Landeverbot auszusprechen oder die ausländische Behörde dazu aufzufordern, die Verkehrszulassung zu entziehen. Dass letzteres befolgt wird, erscheint unwahrscheinlich. Aber die Auseinandersetzung dazu, ob ein Start- oder Landeverbot zu Recht oder zu Unrecht erteilt wurde, kann Zeit in Anspruch nehmen. Zeit in der man dann gegebenenfalls auf ein anderes Verkehrsmittel oder Freizeitvehikel verwiesen ist.
Die grundsätzlich sehr liberale Handhabung des Ein- und Überflugs ausländischer Luftsportgeräte nach und über Deutschland sollte jedoch nicht nachhaltig infrage gestellt werden. Für die Fälle, in denen es möglich erscheint, eine deutsche VVZ oder eine deutsche Verkehrszulassung zu erreichen, sollte dieser Weg schnell beschritten werden. In anderen Fällen sind Konstrukte denkbar, mit denen auch unter Beachtung der deutschen Vorgaben der Betrieb von ausländisch zugelassenen Luftfahrzeugen im deutschen Luftraum möglich erscheint. Aber mit solchen Konstrukten ist keine Gewähr auf Dauer verbunden. Es ist nicht völlig unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber durch die aktuelle Diskussion veranlasst wird, über weitere Modifikationen des§ 99 LuftVZO, den damit verbundener Strafvorschriften und gegebenenfalls über Ein- und Überflugrestriktionen nachzudenken.
Frank Dörner, 29.01.2022