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Das Air-Law Team gibt regelmäßig einen kleinen Einblick in ihr gesammeltes luftrechtliches Wissen, um die Mitglieder der Luftfahrtbranche über aktuelle und relevante Themengebiete zu informieren und aufzuklären. Veröffentlichungen finden Sie in den folgenden Journalen der Fachpressen. 

Rechtliche Fragen der Sicherheit im Luftverkehr (Teil 1)

In der Praxis eines Verwaltungsgerichtshofes stellen sich in Verfahren, die im weitesten Sinn den Betrieb von Flughäfen, Verkehrslandeplätzen bis hin zu Sonderlandeplätzen oder auch militärische Flugplätze betreffen, immer wieder ganz unter-schiedliche Fragen, die zumindest auch die Sicherheit des Luftverkehrs berühren.

Da im Zuge der Energiewende der Ausbau der erneuerbaren Energien auf der Grundlage des EEG immer weiter vorangetrieben wird, bleibt es nicht aus, dass in immissionsschutzrechtlichen Verfahren zur Genehmigung einzelner Windkraftanlagen (WKA) oder von Windparks mit mehreren Anlagen auch Belange des Luftverkehrs betroffen werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die verfügbaren Grundstücke in der Nähe von Flughäfen und -plätzen oder von Anlagen liegen, die der Flugsicherheit dienen, wie bspw. Drehfunkfeuer (VOR und DVOR) sowie Wetterradarstationen.

Über einem dieser Fälle eines geplanten Repowering vorhandener Windkraftanlagen (WKA) hatte unlängst der Hessische Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden und hat mit Beschluss vom 10. Juli 2018 – Az. 9 A 986/16.Z – die Berufung zugelassen. Das Verfahren hatte mit einer Anfrage des Betreibers der vorhandenen Anlagen vom 9. Januar 2012 begonnen: Geplant waren die Errichtung und der Betrieb einer Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von 185 m anstelle einer vorhandenen Anlage mit 50 m Naben-höhe (= 100 m Gesamthöhe) auf einem nordöstlich des früheren Verkehrslandeplatzes und nördlich des mittlerweile planfestgestellten Flughafens Kassel-Calden (EDVK) gelegenen Grundstück. Das zuständige Regierungspräsidium Kassel erteilte nach Abstimmung mit der Deutschen Flugsicherung (DFS) die schriftliche Auskunft, dass keine luftrechtlichen Bedenken gegen die geplante Anlage bestünden. Mit Schreiben vom März 2012 wurde die ursprüngliche Anfrage dann dahingehend erweitert, dass nunmehr die Errichtung einer Windkraftanlage von bis zu 199 m über Grund geplant wurde. 

Darauf antwortete das Regierungspräsidium wiederum schriftlich, auch nach der Inbetriebnahme des neuen Flughafens bestünden voraussichtlich keine Bedenken gegen die Anlage. Daraufhin stellte der Betreiber unter dem 7. November 2012 einen Genehmigungsantrag. In ihrer zu dem Genehmigungsantrag eingeholten Stellungnahme vom 11. Februar 2013 verweigerte die DFS nun jedoch ihre Zustimmung, da die WKA im Bauschutzbereich des Verkehrsflughafens Kassel-Calden unter-halb der Sichtflugstrecke ECHO liege und deshalb ein Sicherheitsrisiko darstelle. Dazu von der Genehmigungsbehörde angehört, legte der Betreiber ein Gegengutachten vor und berief sich auf dieser Grundlage darauf, dass die Pflichtmeldepunkte als „Vorbelastung“ ungeeignet seien, die Unzulässigkeit der Anlage zu begründen. Im Übrigen führe die Anflugroute ca. 300 m nördlich an der Anlage vorbei. Damit sei der nach den luftrechtlichen Re-gelungen allein erforderliche Mindestabstand von 150 m zu der WKA als Hindernis gewährleistet und die WKA zu genehmigen. Nachdem der Betreiber im Juli 2013 eine Untätigkeitsklage erhoben hatte, lehnte die Behörde mit Bescheid vom 8. August 2013 die Erteilung der beantragten Genehmigung ab; dieser Bescheid wurde zum Gegenstand der anhängigen Klage.

Mit Urteil vom 8. März 2016 hat das Verwaltungsgericht Kassel den ablehnenden Bescheid aufgehoben und die Behörde verpflichtet, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Genehmigungsantrag zu entscheiden (Az. 1 K 998/13.KS). Zwar sei mit den ersten Schreiben nach positiven Stellungnahmen der DFS keine Zusicherung erfolgt, dass die Genehmigung erteilt werde, jedoch sei die Zustim-mung rechtswidrig versagt worden. Rechtsgrundlage sei nunmehr die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012, SERA.5005 f), die allerdings den gleichen Inhalt wie die früher anzuwendende Vorschrift des § 12 LuftVO aufweise. Deshalb gelte weiterhin, wie schon das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) entschieden habe, dass immer dann, wenn ein Überflug unter Einhaltung des Sicherheitsmindestabstands möglich ist, keine Gefahrenlage vorliege. Der Verordnungsgeber habe mit den Regeln der SERA.5005 f) die ausreichenden Flugvoraussetzungen definiert. Nachdem am Flughafen Kassel-Calden mit der 1. Änderung der 250. DVO-LuftVO neben dem bisherigen Pflichtmeldepunkt „Echo“ (jetzt: Echo 1) ein weiterer Pflichtmeldepunkt „Echo 2″ für den Streckenverlauf der Sichtan- und -abflugstrecke eingeführt worden sei, bestimme sich die nach der Entscheidung des OVG NRW maßgebliche gedachte Linie wegen der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht mehr zwischen dem Pflichtmeldepunkt und dem Flughafenbezugspunkt, sondern zwischen den Pflichtmeldepunkten „Echo 1″ und „Echo 2″. Da-mit liege die geplante Windkraftanlage aber nicht direkt unter-halb der Sichtan- und -abflugstrecke, sondern verlaufe nördlich davon, und es werde infolge dessen auch der erforderliche Abstand von 150 m zu Hindernissen zwischen Luftfahrzeugen entlang der Sichtflugstrecke und der geplanten Windkraftanlage eingehalten.

Auf den Zulassungsantrag des Beklagten (Land Hessen) wurde mit Beschluss des Hess. VGH vom 10. Juli 2018 – Az. 9 A 986/16.Z – die Berufung zugelassen. Danach bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Feststellung dazu, dass die Lage und Höhe der geplanten WKA nicht im Bereich der Sichtan- und -abflugstrecken vom und zum Pflichtmeldepunkt „ECHO“ des Flughafens Kassel-Calden liege und – insbesondere unter Berücksichtigung der 1. Änderung der 250. DVO-LuftVO mit den weiteren geschaffenen Meldepunkten ECHO 1 und ECHO 2 – keine sicherheitsrelevante Beeinträchtigung des den Flughafen an- oder von diesem abfliegenden Sichtflugverkehrs darstelle. Zwar sehe die Regelung in SERA.5005 Buchst. f) Nr. 2 vor, dass ein Flug nach Sichtflugregeln, der nicht über Städten, anderen dicht besiedelten Gebieten und Menschenansammlungen im Freien durchgeführt wird, nicht unter einer Höhe von 150 m (500 ft) über dem Boden oder Wasser oder von 150 m (500 ft) über dem höchsten Hindernis innerhalb eines Umkreises von 150 m (500 ft) um das Luftfahrzeug stattfinden dürfe. Bei der Anwendung dieser Regelung als Mindestabstandsregel wer-de allerdings verkannt, dass Sichtan- und -abflugstrecken nicht als Linie, sondern als Korridor zu verstehen seien, und der nach SERA.5005 zu wahrende Sicherheitsabstand sich zuallererst auf den vertikalen Abstand in der Höhe plus einen Umkreis von horizontal 150 m bezieht, also keine rein horizontale Abstandsregelung darstelle. Außerdem könne davon abgewichen werden, wenn dies für Start und Landung notwendig ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist dies auch nicht etwa auf die Zeit „während“ des unmittelbaren Start- bzw. Landevorgangs als Endanflug vor dem Aufsetzen auf der Landebahn bzw. Abheben nach dem Start beschränkt, sondern umfasst auch Quer- sowie Gegenanflug bzw. -abflug (vgl. dazu Urteil vom 27.05.2014 – 9 C 2269/12.T -, juris Rn. 120 zur LuftVO a. F.; Beschluss des Senats vom 07.09.2017 – 9 A 1785/15.Z -, juris Rn. 17).

Schließlich sei nicht berücksichtigt worden, dass es aufgrund des zu erwartenden Gegenverkehrs zu Ausweichbewegungen und bei marginalen Wetterbedingungen zu Abweichungen von den eingezeichneten Strecken kommen kann, und das den Luftfahrzeugführern dafür einzuräumende Höhenband durch die geplante Anlage stark eingeschränkt würde. 

Zu einer Entscheidung darüber, ob die Feststellung der DFS, dies stelle ein Sicherheitsrisiko dar, rechtlich zu beanstanden ist, ist es nicht mehr gekommen, da nach Zulassung der Berufung die Klage zurückgenommen wurde. (Fortsetzung folgt)

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