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Das Air-Law Team gibt regelmäßig einen kleinen Einblick in ihr gesammeltes luftrechtliches Wissen, um die Mitglieder der Luftfahrtbranche über aktuelle und relevante Themengebiete zu informieren und aufzuklären. Veröffentlichungen finden Sie in den folgenden Journalen der Fachpressen. 

„Licence must match tail number“ Mit N-Registrierung ohne US-Lizenz oder Validation quer durch Europa?

Ein kürzlich untersuchter Flugunfall in Spanien wirft erneut die Frage auf, welche Lizenzanforderungen für den Betrieb von US-registrierten Flugzeugen in Europa gelten. Der Vorfall ereignete sich am 11. August 2023 am Flughafen Sabadell (Barcelona). Eine Cessna 350 Corvalis schoss nach der Landung über das Ende der Landebahn hinaus und prallte gegen den Flughafenzaun. Der deutsche Pilot und sein Passagier blieben erfreulicherweise unverletzt, doch die Maschine wurde erheblich beschädigt.

Der Bericht (Technical Report A-018/2023) der spanischen Flugunfalluntersuchungsbehörde stellte als Ursache eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte Anflug- und Landetechnik fest: Die Maschine setzte erst weit hinter der Hälfte der Landebahn auf, wodurch der verbleibende Bremsweg nicht ausreichte, um rechtzeitig zum Stillstand zu kommen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist jedoch eine andere Frage: War der Pilot mit seiner deutschen Part-FCL-Lizenz überhaupt berechtigt, ein US-registriertes Flugzeug in Europa (außerhalb Deutschlands) zu fliegen, wenn er nicht in Besitz einer zusätzlichen amerikanischen Lizenz oder Validation war? Laut den Vorschriften der US-amerikanischen Federal Aviation Administration (FAA) erfordert der Betrieb eines US-registrierten Flugzeugs außerhalb der USA grundsätzlich eine FAA-Lizenz oder eine durch die FAA validierte ausländische Lizenz. Allerdings enthält FAR § 61.3 CFR eine Ausnahmeregelung, die es erlaubt, ein solches Flugzeug „innerhalb eines Landes mit einer dort ausge-stellten Lizenz“ zu fliegen.

Die Kaskoversicherung entsandte einen Sachverständigen, um den Schaden zu begutachten. Dieser wies in seinem Gutachten an die Versicherung darauf hin, dass nach seiner Meinung der Pilot nicht im Besitz der erforderli-chen Lizenz gewesen sei. Er habe „nur“ eine in Deutschland ausgestellte EU-FCL-Lizenz, keine US-Lizenz und keine Validation. Die Versicherung lehnte daher zunächst eine Regulierung des Schadens mit Hinweis auf § 1 Ziff er 4.2 der AVB Luft-Kasko 2008 ab.

Die beteiligten Anwälte stritten daraufhin über die Einordnung dieser Klausel als „echten Versicherungsausschluss“ oder der Einordnung als „verhüllte Obliegenheit“ und zudem um die Auslegung der FAR § 61.3 CFR Regelung.

Bei einer „verhüllten Obliegenheit“ würde es darauf ankommen, ob der Unfall kausal auf die Obliegenheitsverletzung „fehlende Berechtigung“ zurückzuführen gewesen ist. Das wäre wiederum in dem konkreten Fall schwer zu belegen, da „nur“ durch das Überfliegen der deutschen Staatgrenze weder das Flugzeug noch der Pilot das Fliegen verlernen.

Der Unfall war laut Einordnung des Sachverständigen und der Untersuchung durch die spanische Behörde auf einen handwerklichen Fehler zurückzuführen. Das formale Defizit – fehlende US-Lizenz bzw. fehlende Validation – hatte nichts zum Unfallablauf beigetragen.

Die spanische Flugunfalluntersuchungsbehörde stellte in diesem Zusammenhang eine offizielle Anfrage an die FAA, um zu klären, ob die EU-FCL-Lizenz des Piloten ausreichend sei. Die FAA bestätigte, dass die Lizenz den Anforderungen von FAR-CFR Part 61.3 entsprechen würde, da sowohl Deutschland als auch Spanien den Be-trieb mit N-registrierten Luftfahrzeugen unter Nutzung der „nationalen“ Lizenz erlauben würden. Die FAA stellt nicht darauf ab, ob der „Ausstellungsstaat“ nur für sein Territorium diese Entscheidung treffen könne.

Eine ausdrückliche Anerkennung der FAA, das grundsätzlich in ganz Europa eine EU-FCL-Lizenz ausreichen würde ist damit nicht verbunden. Die FAA leg-te offenbar einen pragmatischen Ansatz an: Wenn beide „beteiligten“ na-tionalen Behörden – wie in diesem Fall Deutschland und Spanien – den Betrieb mit ihrer Lizenz erlauben, könne dies ausreichend sein.

Diese Interpretation steht im Wider-spruch zum herkömmlichen Prinzip „licence must match tail number“, welches besagt, dass die Lizenz des Piloten mit dem Registerstaat des Flugzeugs übereinstimmen müsse oder eben eine entsprechende Validation vorhanden sein müsse, um grenzüberschreitend zu fliegen.

Dazu hatte sich ein Schweizer Kollege (RA Dr. jur. / Dipl. Masch. Ing. ETH Philipp Perren) in einem Artikel der „Foundation für Aviation Compliance“ 2020 ausführlich geäußert. Eben auf diesen Artikel bezog sich auch der Sachverständige und auch manche Luftfahrt-Forenbeiträge.

Es bleibt unklar, ob dieser pragmatische Ansatz der FAA einen Präzedenzfall für künftige Fälle darstellt. Für Piloten, Luftfahrtjuristen und Versicherer bleibt damit eine wesentliche Unsicherheit bestehen: Reicht in Europa eine EU-FCL-Lizenz für ein N-registriertes Flugzeug generell aus, wenn die jeweiligen natio-nalen Behörden dies gestatten? Oder ist weiterhin eine formelle US-Lizenz oder deren Validierung für grenzüberschreitende Flüge erforderlich?

Im konkreten Fall haben sich der Eigentümer und die Versicherung geeinigt. Eine kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzung sollte vermieden werden. Die Anwälte haben einen entsprechenden Vergleich erarbeitet.

Der Fall zeigt jedoch den dringenden Bedarf an einer einheitlichen klar definierten Regelung. Verbände, wie z.B. die AOPA sind hier gefordert, für eine eindeutige und praxistaugliche Lösung bei der EASA und der FAA anzufragen, um rechtliche Grauzonen zu vermeiden und die Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten.

Dem Sachverständigen muss in diesem Zusammenhang ein Hinweis gegeben werden:

Ein Sachverständiger ist grundsätzlich dazu berufen, fachliche und technische Einschätzungen zu einem bestimmten Sachverhalt abzugeben, jedoch keine rechtlichen Bewertungen oder Empfehlungen auszusprechen. Das bedeutet: Ein Sachverständiger darf keine verbindlichen rechtlichen Bewertungen oder Rechtsauskünfte geben. Dies fällt in den Bereich der Rechtsberatung, die in Deutschland beispielsweise Rechtsanwälten vorbehalten ist (§ 2 Abs. 1 RDG – Rechtsdienstleistungsgesetz).

Er kann jedoch seine gutachterliche Meinung zu technischen oder fachlichen Fragen äußern, die sich auf sei-nen Sachbereich beziehen. Ein Sachverständiger kann feststellen, ob ein Luftfahrzeugführer im Besitz einer bestimmten Lizenz war oder nicht, sofern dies eine sachliche und prüfbare Fest-stellung innerhalb seines Fachbereichs ist. Er kann auch auf seiner Meinung nach vorhandene Defizite hinweisen. Die Schlussfolgerung, ob daraus eine Ablehnung der Versicherungsregulierung resultiert, ist jedenfalls eine juristische Frage. Diese Entscheidung obliegt der Versicherung bzw. den zuständigen juristischen Stellen. Ein Sachverständiger sollte hier äußerst zurückhaltend sein.

© Frank Peter Dörner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Luftfahrtsachverständiger

 

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